Ein Mann, Jonas, hatte einen Kontrollzwang, so bezeichnete seine Frau Anna das Phänomen. Anna ist eine Hobby Psychologin.
Wenn Jonas sein Haus verließ, kontrollierte er mehrmals, ob alle Türen und Fenster geschlossen waren, ob der Herd aus war, der Fernseher und der Computer. Das Paar verspätete sich deshalb bei allen gemeinsamen Terminen. Sein Verhalten schien ihm recht zu geben, weil ja noch nie etwas in seinem Leben passiert war!
Der Nachteil seiner Methode lag darin, daß der Zeitaufwand für die Kontrolle über die Jahre immer aufwändiger wurde, Vor allem, weil sich Jonas nicht mehr sicher war, ob er wirklich eine Kontrolle durchgeführt hatte, oder ob er bei der Kontrolle gar nicht bei der Sache gewesen war. Er kontrollierte auch zunehmend mehr Ereignisse und Dinge.
Jonas dachte nie darüber nach, welche Ängste Auslöser für diesen Kontrollzwang waren. Aber ein Grund dafür war seine unbewusste Vorstellung, er müsse sterben, wenn er etwas verliert oder er könnte einen Verlust nicht verkraften. Er verlor über die Gewohnheit, alles zu kontrollieren, zunehmend seine Kräfte und geriet in einen Burn-out. Er wurde deshalb viele Wochen krank geschrieben und konsultierte einen psychologischen Psychotherapeuten, der ihm weiter sein Antidepressivum verschrieb und sich mit ihm wöchentlich für 1 Therapiestunde verabredete.
Nach vielen Monaten Gesprächen mit dem psychotherapeutisch tätigen Arzt rang sich Jonas zu der Erkenntnis durch, entgegen der therapeutischen Empfehlung, sein Antidepressivum langsam abzusetzen. Er fühlte sich auch nicht mehr so krank (eigentlich fühlte er sich sogar gesund), obwohl dies sein Therapeut anders sah. Er beendete die Therapie und begann wieder Golf zu spielen. Er kam zu der Erkenntnis, dass er vieles, was in seinem Leben so unheimlich wichtig gewesen zu sein schien, viel zu ernst genommen hatte. Er achtete nicht mehr so sehr darauf, was die Leute über ihn wohl Negatives denken könnten und welche Fehler er unbedingt vermeiden muss. Er schenkte endlich wieder den Dingen Aufmerksamkeit, die ihm wirklich am Herzen lagen, vor allem der Beziehung zu seiner lieben Frau: Er freute sich, wenn sie sich über einen Blumenstrauß von ihm freute, das war mehr Wert als die Kosten in €. Vor allem ließ er wieder häufiger Fünfe auch einmal gerade sein. Schließlich konnte er alles verlieren, aber wenn er etwas verlieren konnte, dann könnte er vielleicht auch etwas gewinnen. Er hatte dieses sein Upside Potenzial völlig aus den Augen verloren!
Als Anna sah, wie ihr Mann durch diese neue Perspektive wieder mehr Selbstbewusstsein gewann, war sie innerlich stolz auf ihn: Sie hatte trotz der Krise einen tollen Mann als Partner, zu dem sie wieder aufschauen konnte. Denn welcher Mann erkennt denn schon, dass man mit dem Versuch, mehr Sicherheit zu gewinnen, die Sicherheit, die man hat, verliert und auch die Beziehung zu seiner Partnerin aufs Spiel setzt?